Das Kostenerstattungsverfahren - Private Psychotherapie für gesetzlich Versicherte: Wie funktioniert’s?
Die Kosten für eine Psychotherapie werden in der Regel vollständig von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Die Anzahl der dafür von den Krankenkassen zugelassenen Psychotherapeut*innen ist jedoch begrenzt und die Wartezeit auf einen Therapieplatz kann mehrere Monate dauern. Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) ist jedoch gesetzlich verpflichtet, eine bedarfsgerechte, zeit- und wohnortnahe Versorgung sicherzustellen.
Wenn Sie nachweisen können, dass Sie trotz intensiver Bemühungen keine*n Therapeut*in mit Kassenzulassung gefunden haben, können Sie auch als gesetzlich Versicherte*r eine psychotherapeutische Privatpraxis aufsuchen und sich die Behandlungskosten von Ihrer Krankenkasse erstatten lassen. Approbierte Psychotherapeut*innen in Privatpraxen verfügen über die gleiche Qualifikation und bieten die gleichen Behandlungsmethoden an. Sie haben lediglich keine Möglichkeit, Behandlungskosten bei der GKV abzurechnen, da es mehr Psychotherapeut*innen als ‘Kassenzulassungen‘ gibt.
Leider ist das sogenannte Kostenerstattungsverfahren nicht einheitlich gesetzlich geregelt – jede Krankenkasse hat individuelle Bedingungen.
Wie sollten Sie also vorgehen?
Informieren Sie sich vor der Antragsstellung bei Ihrer Krankenkasse nach den Vorgaben für das Kostenerstattungsverfahren:
- Welche Unterlagen sind einzureichen?
- Wie viele Absagen brauchen Sie von Psychotherapeut*innen mit Kassenzulassung?
- Welche Wartezeit gilt als zumutbar?
- Bis zu welcher Anzahl an Kilometern gilt eine Praxis als wohnortnah?
Lassen Sie sich, wenn immer möglich, eine schriftliche Antwort zu den Voraussetzungen der Kostenerstattung bei Ihrer Krankenkasse geben.
Vereinbaren Sie einen Termin für eine psychotherapeutische Sprechstunde
Gesetzlich Versicherte müssen vor Therapiebeginn eine 50-minütige psychotherapeutische Sprechstunde aufsuchen. In dieser Sprechstunde macht sich der*die Psychotherapeut*in ein Bild von Ihren psychischen Belastungen und gibt eine Behandlungsempfehlung. Zudem kann der*die Psychotherapeut*in einschätzen, welche Wartezeit maximal zumutbar ist. Diese Angaben werden in ein Formular eingetragen – das sogenannte PTV-11 –, welches Sie Ihrem Antrag auf Kostenerstattung beilegen sollten. Nur wer auf dem PTV11-Bogen einen Dringlichkeitscode bekommt, erhält damit in der Regel die Chance, von der Terminservicestelle eine Vermittlung für probatorische Sitzungen (und nicht nur für Sprechstunden) zu erhalten. Fragen Sie bei den Psychotherapeut*innen daher explizit nach dem Dringlichkeitscode.
Jede Psychotherapie-Praxis mit Kassenzulassung ist verpflichtet, Sprechstunden-Termine zu vergeben, auch wenn sie keinen Therapieplatz zur Verfügung stellen kann. Fragen Sie gezielt nach diesen Terminen.
Versorgungslücke nachweisen
Der Nachweis, dass Sie trotz angemessener Bemühungen keinen zeit- und wohnortnahen Therapieplatz bei einem von den gesetzlichen Krankenkassen zugelassenen Psychotherapeut*innen finden konnten, ist die Grundlage für das Kostenerstattungsverfahren. Deshalb sollten Sie alle unternommenen Kontaktversuche und Absagen protokollieren (Name der Ansprechperson, Datum, Uhrzeit, frühestmöglicher Therapiebeginn). In der Regel können Sie sich nach etwa 6-10 Absagen an eine Privatpraxis wenden.
Im Rahmen des Kostenerstattungsverfahrens fordern immer mehr gesetzliche Krankenkassen, dass die Terminservicestelle der Kassenärztlichen Vereinigung (Tel. 116 117) zur Terminvermittlung kontaktiert wurde und wiederholt (etwa 5 Mal) keinen Therapieplatz unter angemessenen Bedingungen vermitteln konnte. Lassen Sie sich auch darüber einen Nachweis von der Terminservicestelle ausstellen oder fertigen Sie selbst ein Protokoll über das Ergebnis des Vermittlungsversuchs an (inkl. Datum, etc.).
Therapieplatz in einer Privatpraxis finden
Rufen Sie bei Privatpraxen an und fragen Sie nach freien Therapieplätzen. Vereinbaren Sie am besten ein Erstgespräch um herauszufinden, ob Sie mit dem*der Therapeut*in zusammenarbeiten können. Auch bei der Suche nach einem freien Therapieplatz in einer Privatpraxis kann Sie das PTN gerne unterstützen Hier gehts zur Therapeut*innenliste
Achtung: Erstgespräche in Privatpraxen sind unter Umständen nicht kostenfrei. Informieren Sie sich am besten vorab.
Sobald Sie eine psychotherapeutische Privatpraxis gefunden haben, in der Sie zeitnah eine Therapie beginnen können, sollten Sie sich das von der Praxis bescheinigen lassen. Entscheidend ist, dass der*die Psychotherapeut*in über eine ‘Approbation in einem Richtlinienverfahren‘ verfügt. Das heißt, er oder sie hat eine staatliche Behandlungserlaubnis für eines der folgenden Therapieverfahren: kognitive Verhaltenstherapie, analytische Psychotherapie, tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie oder systemische Therapie. Auch das sollten Sie sich von der Praxis bescheinigen lassen.
Antrag bei Ihrer Krankenkasse auf Kostenerstattung der Psychotherapie stellen
Jetzt können Sie bei Ihrer gesetzlichen Krankenkasse schriftlich einen ‘Antrag auf Psychotherapie und Kostenerstattung nach § 13 Absatz 3 SGB V‘ stellen. Vordrucke zum Antrag auf Kostenerstattung finden Sie zum Beispiel im Ratgeber „Kostenerstattung” der Bundespsychotherapeutenkammer.
Dem Antrag auf Kostenerstattung legen Sie folgende Anlagen bei:
- PTV-11-Formular aus der psychotherapeutischen Sprechstunde
- Protokoll der unternommenen Kontaktversuche und Absagen
- Nachweis von der Terminservicestelle oder selbst erstelltes Protokoll über das Ergebnis des Vermittlungsversuchs (inkl. Datum, etc.)
- eine Dringlichkeitsbescheinigung und den Konsiliarbericht vom Arzt (z.B. Ihr/e Hausärzt*in
- Zusage der Privatpraxis über den kurzfristigen Therapiebeginn + Information, dass die/der Therapeut*in eine Approbation in einem Richtlinienverfahren hat (s. Schritt 4)
Den Antrag auf Kostenerstattung müssen Sie selbst und vor Behandlungsbeginn stellen! Die meisten Psychotherapeut*innen haben in der Regel schon Erfahrung mit dem Kostenerstattungsverfahren und können Ihnen helfen. Wichtig: alle Kosten, die vor der Entscheidung der Krankenkasse entstanden sind, werden nicht übernommen.
Wie geht es weiter?
Wenn Sie nach etwa 3-4 Wochen, nachdem der Antrag bei Ihrer gesetzlichen Krankenkasse eingegangen ist, noch keine Rückmeldung erhalten haben, empfehlen wir die telefonische Nachfrage.
Bei Ablehnung des Antrags Widerspruch einlegen
Leider kommt es auch vor, dass Ihr Antrag auf Kostenerstattung trotz nachgewiesener Versorgungslücke von der gesetzlichen Krankenkasse abgelehnt wird – auch wenn keine Behandlungsalternative bei Psychotherapeut*innen mit Kassenzulassung ermöglicht wird. In diesem Fall lohnt es sich, Widerspruch einzulegen. Vordrucke für ein entsprechendes Anschreiben finden Sie zum Beispiel im Ratgeber „Kostenerstattung” der Bundespsychotherapeutenkammer.